Personalmarketing ist digital
Die digitale Technologie ist vor allem eines: dynamisch. Und zwar sehr dynamisch. Die rasante Entwicklung führt zu gravierenden Veränderungen im Personalmarketing. Die Zeit der Bewerbungs-Mappe ist vorbei.
Zu diesem Thema befragen wir den Medien- und Kommunikationsexperten Johannes Herberhold.
Johannes Herberhold von der Medienagentur tenolo aus Witten war federführend in der technischen Entwicklung des neuen Job-Portals „valmedi“ und hat sich mit dem Nutzerverhalten von Bewerbern/Bewerberinnen intensiv auseinander gesetzt.
Vorstellungsgespräch: remote oder doch besser analog?
valmedi: Johannes, wir führen dieses Interview „online“. Glaubst du, dass die Qualität der Information bei einem Online-Interview leidet?
Johannes Herberhold: Das kommt ganz darauf an, welche Art von Informationsqualität man sich erhofft oder wünscht. Wenn die Emotionalität eine große Bedeutung hat, dann sind dem Internet Grenzen gesetzt. Hier hat der Online-Dialog Nachteile gegenüber dem persönlichen Gespräch. Allerdings wenn es um eine fachliche Diskussion oder einen Informationsaustausch geht, kann die Online-Debatte deutlich schneller, präziser und kostengünstiger sein. Wir sparen uns ja jetzt auch die Reise- und die Meeting-Kosten, und wir können den Dialog jederzeit nachlesen und "nachhören“, wenn es notwendig ist.
valmedi: Denkst du, dass Online-Interviews zukünftig verstärkt in Rekrutierungsprozessen eingesetzt werden?
Johannes Herberhold: Ja, ganz sicher. Bei der Rekrutierung von Auslands-Ärzten/Ärztinnen ist das ja heute schon Praxis und ein probates Hilfsmittel. Und Corona hat die Akzeptanz von Online-Interviews grundsätzlich verändert. Es ist einfach effizient für Bewerber und Arbeitgeber sich so einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Kurzbewerbungen auf dem Vormarsch
valmedi: Kommen wir zu unserer Ausgangsfrage. Was sind die wesentlichen Veränderungen, die sich aus deiner Sicht durch den digitalen Fortschritt für die Jobsuche und Bewerbungsverfahren ergeben werden.
Johannes Herberhold: Ich glaube der digitale Fortschritt spielt sich für Bewerber und den Bewerbungsprozess auf zwei Ebenen ab.
Erstens: das Bewerbungsverfahren wird prinzipiell aus Effizienzgründen nur noch online möglich sein.
Zweitens: Die Abläufe werden viel schneller werden. Vor allem im engen Gesundheitsmarkt gilt, wer langsam reagiert hat das Nachsehen hat. Die Bewerber/Bewerberinnen können sich die Jobs ja quasi aussuchen.
valmedi: Das musst du näher läutern. Was meint das für den Bewerber, wenn eine Bewerbung nur noch online möglich ist?
Johannes Herberhold: Das hat aus meiner Sicht ganz klare Vorteile. Online-Bewerbungen können zu jeder Zeit erstellt und abgeschickt werden. Und dabei spielt die Mobilität eine ganz große Rolle. Ideal ist es, wenn ein/e Bewerber/Bewerberin eine interessante Stelle finden und mit einer Schnellbewerbung von überall aus eine qualifizierte Bewerbung absenden kann.
valmedi: Was verstehst du unter einer Schnellbewerbung?
Johannes Herberhold: Lebenslauf, Anschreiben oder Ausbildungs- oder Arbeitszeugnisse sind formal wichtig. Für die erste Anfrage aber überhaupt nicht notwendig. Im Grunde reicht eine einfache Nachricht über WhatsApp oder per E-Mail das Interesse an der Stellenausschreibung besteht und die erforderliche Qualifikation vorhanden ist.
Ausführliche Bewerbungsformulare mit Pflichtfeldern und Anlagen sind eine Hürde wenn sich jemand spontan für eine Anzeige interessiert. Und dann kommt es einfach darauf an schnell zu reagieren und Kontakt aufzunehmen.
valmedi: Aber wollen die Unternehmen nicht zwingend dass man die Bewerbungsformulare nutzt?
Johannes Herberhold: Das wollen die Unternehmen schon. Aber es ist einfach ineffizient für einen Bewerber. Und das wird unterschätzt. Wir haben in der digitalen Industrie vergleichbar um gute Fachkräfte (Entwickler, Designer) zu kämpfen wie die Gesundheitseinrichtungen um Pflegefachkräfte. Uns reicht aber eine Kurznachricht als Bewerbung oder sogar ein kleines selbstgemachtes Video oder eine Sprachnachricht.
Schnelligkeit ist Trumpf
valmedi: Du hast vorhin von Schnelligkeit als wichtigem Kommunikationstrend gesprochen. Was meinst du damit?
Johannes Herberhold: Schnelligkeit ist eine direkte Folge der Digitalisierung. Bewerbungen sind mit einem Maus-Klick ohne ausführliche Informationen möglich. Wer auf Jobsuche ist und einen Job wirklich will, der wird sofort reagieren wenn es angeboten wird. Die Bewerber/Bewerberinnen erwarten dann auch eine eine schnelle Reaktion der Personalabteilungen, und zwar innerhalb von 24 Stunden.
Durch (zu) späte Antworten aufgrund interner Abstimmungen oder Arbeitsfülle gehen viele Chancen verloren. Und wer langsam reagiert kann ja auch nicht wirklich interessiert sein, oder?
valmedi: Welche Rolle spielen Facebook, Instagram, Google+ und Co. im Arbeitsmarkt von morgen?
Johannes Herberhold: Kurz und bündig: eine immer grössere Rolle. Man kann feststellen, dass vor allem jüngere Interessenten intensiv Social Media als Informationsquelle nutzen. Dieser Trend wird unserer Meinung nach von Arbeitgebern stark unterschätzt. Es gibt immer noch viele Krankenhäuser, Pflegeheime und soziale Einrichtungen die Social Media mit großer Skepsis begegnen. Sollte man auch, aber ohne Social Media geht viel Reichweite verloren.
3 Tipps aus der Praxis
valmedi: Ihr seit ja seit vielen Jahren auch im Gesundheitswesen unterwegs und setzt Projekte für Krankenhäuser um. Gibt es aus deiner Sicht ein paar griffige Tipps für Personalmarketing?
Johannes Herberhold: Mit den Tipps ist das immer so eine Sache. Die Situation von Gesundheitseinrichtungen ist doch sehr verschieden. Auf dem Land ist die Personalsituation eine andere als in der Stadt und große Einrichtungen oder Maximalversorger haben ein andere Ausgangslage als medizinische Versorgungszentren. Vielleicht kann man 3 allgemein gehaltene Ratschläge formulieren, die wir teilweise ja auch schon angesprochen haben:
Schnell sein
Wir wissen aus der Zusammenarbeit mit Krankenhäusern dass die erste Reaktion auf Bewerbungen manchmal 2-3 Tage dauert. Das ist einfach zu lang. Ideal ist es, wenn innerhalb von 24 Stunden eine qualifizierte Antwort erfolgt. Und damit meine ich nicht automatisierte Bestätigungs-E-Mails, sondern eine Nachricht mit konkretem Bezug zur Anfrage und einem Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise.
Einfach bleiben
Es macht keinen Sinn den digitalen Ablauf durch zu viel Information oder unklare Formulierungen zu stören. Deshalb die Stellenanzeigen einfach und sehr kurz halten, Vorstellungsgespräche schnell organisieren und zügig abhalten und beim Vorstellungsgespräch ein handout mit den wichtigsten Anforderungen und Leistungen ausreichen. Das wirkt gekonnt und vorbereitet und kommt bei Bewerbern/Bewerberinnen gut an.
Auf mobile Nutzung achten
Wir wissen, dass über 80 % aller Bewerber/Bewerberinnen mobil suchen und sondieren. Alle Inhalte sollten daher mobilgerecht präsentiert werden. Das heißt kurz, klar, übersichtlich und fokussiert auf das Wichtige. Eine Bewerbung sollte mobil mit wenigen Informationen möglich sein. Gesundheitseinrichtungen neigen allgemein zu zu viel Text, der Blocksatz ist immer noch verbreitet und Stellenanzeigen oft sehr detailliert. Mobil kann das in kurzer Zeit niemand verarbeiten und liest kaum jemand. Erst bei großem Interesse beginnen Nutzer/Nutzerinnen zu lesen und sind bereit für mehr Inhalte.
Vielen Dank für das Gespräch.
Finde die passende Stelle im Gesundheitswesen
Karriere im Gesundheitswesen? Hier finden Sie passende Stellenangebote! Entdecken Sie unsere Jobbörse und lassen Sie sich von spannenden Jobangeboten inspirieren.
Zur Jobsuche