Notstand im Notfallzentrum

Die chronische Überfüllung in deutschen Notaufnahmen führt zu enormem Stress und Erschöpfung beim medizinischen Personal, verschärft den Personalmangel und verschlechtert die Versorgungsqualität. Patienten erleben lange Wartezeiten, was immer öfter zu Frustration und Gewalt gegenüber dem Personal führt. Die Problemlösung liegt neben einer verbesserten Patientensteuerung und Konzentration auf die wirklichen Notfälle.

Die Illustration zeigt einen Rettungshubschrauber.

Die Notaufnahmen in Deutschland stehen vor einem gravierenden Problem. Überfüllung ist an der Tagesordnung. Ärzte / Ärztinnen und Pflegepersonal sind 24 Stunden am Tag mit einer Flut von Patienten konfrontiert, was zu extrem langen Wartezeiten führt. Die Überlastung beeinträchtigt die Versorgungsqualität erheblich. Das Personal arbeitet am Limit und steht unter immensem Stress.

Die angespannte Situation wirkt sich auch auf die Patienten aus. Lange Wartezeiten und unzureichende Betreuung schüren Frustration und Aggression. Es kommt immer häufiger zu verbalen und körperlichen Übergriffen auf das ohnehin schon belastete Personal. Diese aggressive Grundstimmung in den Notaufnahmen ist besorgniserregend und verschärft die ohnehin kritische Lage.

Aufgabe und Zweck von Notaufnahmen

Die Notaufnahme ist eine in aller Regel eigenständige und spezialisierte Abteilung/Hauptabteilung in Krankenhäusern, die rund um die Uhr für die Versorgung akuter medizinischer Notfälle bereitsteht. Die Hauptaufgabe ist die Erstversorgung von akuten Notfällen und Verletzungen. Notaufnahmen werden sowohl von Rettungsdiensten als auch direkt von Patienten aufgesucht. Rettungsdienste bringen Patienten in akuten, lebensbedrohlichen Situationen, die sofortige medizinische Hilfe benötigen. 

Wie sind Notaufnahmen finanziert?

Die Finanzierung der Notaufnahmen erfolgt hauptsächlich durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). Notaufnahmen sind ein wichtiger Bestandteil des regionalen Notfallversorgungsnetzwerks. Für diese hoheitlichen Funktionen werden daher auch staatliche und kommunale Zuschüsse in die Finanzierung einbezogen.

Die meisten Bürger in Deutschland sind gesetzlich krankenversichert. Die GKV finanziert die Notfallbehandlungen ihrer Mitglieder durch Beiträge. Notaufnahmen rechnen die erbrachten Leistungen direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen ab. Etwa 12 % der Bevölkerung ist privat krankenversichert. Die Abrechnung der Leistungen erfolgt hier zunächst zwischen Patient und Einrichtung. Anschließend rechnen die Patienten mit Ihren Krankenkassen ab. Patienten, die nicht versichert sind oder deren Versicherungen bestimmte Leistungen nicht abdecken, müssen die Kosten für ihre Behandlung selbst tragen. Dies trifft oft auf ausländische Touristen oder Menschen ohne ausreichende Versicherung zu. Zudem können Zusatzkosten für Leistungen anfallen, die über die Grundversorgung hinausgehen.

Zusätzlich zur Krankenversicherung erhalten Notaufnahmen finanzielle Unterstützung durch staatliche und kommunale Zuschüsse. Diese Mittel helfen, die Infrastruktur und den Betrieb der Notaufnahmen zu finanzieren und besondere Projekte zu unterstützen. Besonders in Universitätskliniken und großen Krankenhäusern spielen diese Zuschüsse eine wichtige Rolle.

Wie sind Notaufnahmen organisatorisch und fachlich aufgestellt? 

In deutschen Krankenhäusern wird die  Notaufnahme - je nach Größe der Abteilung - von einem leitenden Chefarzt oder einer leitenden Chefärztin geführt. Die Position wird oft von Fachärzten der Anästhesiologie, Inneren Medizin (oft Kardiologen / Kardiologinnen) , Chirurgie und Allgemeinmedizinern / Allgemeinmedizinerinnen geleitet. Die Leitenden Ärzte / Ärztinnen verfügen über umfangreiche Erfahrung und spezialisierte Kenntnisse in der Notfallmedizin und haben Zusatzweiterbildungen abgeschlossen. Üblich ist eine Weiterbildung in der Notfall- und Akutmedizin oder der anästhesiologischen und internistischen Intensivmedizin. Dem leitenden Arzt stehen Oberärzte und Assistenzärzte zur Seite. Assistenzärzte / Assistenzärztinnen müssen üblicherweise Teile der Facharztweiterbildung in der Notaufnahme absolvieren. 

Zusätzlich spielt das Pflegepersonal eine entscheidende Rolle in der Notaufnahme.

Notfallpfleger und Notfallpflegerinnen

Notfallpfleger und Notfallpflegerinnen sind speziell ausgebildete Pflegefachkräfte, die auf die Akutversorgung und Betreuung von Notfallpatienten spezialisiert sind. Die Notfallpflege ist eine Zusatzweiterbildung. Ihre Aufgaben umfassen die Erstversorgung der Patienten, Überwachung der Vitalparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung, sowie die Unterstützung bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. 

Medizinische Fachangestellte (MFA)

Medizinische Fachangestellte spielen eine wichtige Rolle in der organisatorischen und administrativen Unterstützung der Notaufnahme. Sie übernehmen Aufgaben wie die Patientenaufnahme, Dokumentation und Verwaltung von Patientendaten. Darüber hinaus unterstützen sie bei einfachen medizinischen Tätigkeiten, wie der Vorbereitung von Patienten für Untersuchungen, der Durchführung von Blutabnahmen und der Versorgung von Wunden. 

Rettungsassistenten und Notfallsanitäter

Rettungsassistenten und Notfallsanitäter sind für den Transport von Patienten in die Notaufnahme verantwortlich und unterstützen das medizinische Personal bei der weiteren Versorgung. Sie verfügen über umfangreiche Kenntnisse in der präklinischen Notfallversorgung und arbeiten eng mit den Notärzten / Notärztinnen zusammen, um eine nahtlose Übergabe und kontinuierliche Betreuung der Patienten sicherzustellen. 

Technische Ausstattung

Notaufnahmen verfügen über eine umfassende technische Ausstattung, um schnelle und genaue Diagnosen und Behandlungen zu ermöglichen. Zu den typischen diagnostischen und technischen Einrichtungen gehören:

  • Bildgebende Verfahren: Notaufnahmen sind häufig mit Röntgengeräten, Ultraschallgeräten und Computertomographen (CT) ausgestattet, um schnelle und präzise Diagnosen bei Verletzungen und akuten Erkrankungen zu ermöglichen.
  • Labor: Ein eigenes Labor oder ein schneller Zugang zu Laboranalysen ist für die sofortige Untersuchung von Blut- und Urinproben unerlässlich. Dies ermöglicht die Diagnose von Infektionen, Stoffwechselstörungen und anderen akuten Zuständen.
  • Monitoring: Zur kontinuierlichen Überwachung von Patienten stehen Geräte zur Herzüberwachung, Pulsoximetrie und Blutdruckmessung zur Verfügung. Diese Geräte sind entscheidend, um den Zustand der Patienten in Echtzeit zu überwachen und schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
  • Ausstattung für Notfallinterventionen: Notaufnahmen sind mit Defibrillatoren, Beatmungsgeräten und anderen lebensrettenden Geräten ausgestattet, die in kritischen Situationen sofort einsatzbereit sind.

Was ist das aktuelle Problem in Notaufnahmen?

Nach deutschem Recht sind Krankenhäuser verpflichtet, jeden Patienten zu behandeln, der sich in der Notaufnahme vorstellt. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der Notfallversorgung, der sicherstellen soll, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Dringlichkeit oder Zahlungsfähigkeit Zugang zu medizinischer Hilfe erhalten. Dies führt dazu, dass Notaufnahmen auch Patienten mit weniger dringenden oder sogar Bagatellfällen versorgen müssen, was die Ressourcen der Notaufnahmen stark belastet.

Diese gesetzliche Verpflichtung hat positive Aspekte, da sie den universellen Zugang zu medizinischer Versorgung garantiert. Sie stellt jedoch auch eine erhebliche Herausforderung dar, da sie zur Überlastung der Notaufnahmen beiträgt und die Ressourcen für die Behandlung von echten Notfällen einschränkt.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die diese Verpflichtung regeln, sind unter anderem im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und im Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert. Diese Gesetze verpflichten Krankenhäuser zur Aufnahme und Behandlung von Notfallpatienten und verhindern, dass Patienten aufgrund der Schwere ihrer Beschwerden oder ihrer Zahlungsfähigkeit abgewiesen werden.

Immer häufiger keine echten Notfälle

Ein großes Problem ist, dass immer mehr Patienten die Notaufnahmen ohne echte medizinische Notfälle aufsuchen. Viele Patienten kommen wegen gesundheitlicher Probleme, die auch durch Hausärzte oder ambulante Versorgungseinrichtungen behandelt werden könnten. Diese „nicht dringenden“ Fälle beanspruchen wertvolle Zeit und Ressourcen, die für echte Notfälle benötigt werden.

Immer weniger Zeit für echte Notfälle

Durch die hohe Zahl an Patienten mit nicht dringenden Beschwerden bleibt dem medizinischen Personal immer weniger Zeit für die Behandlung echter Notfälle. Es besteht die Gefahr, dass Patienten mit akuten, lebensbedrohlichen Zuständen länger warten müssen, da die Ressourcen blockiert sind. 

Was sind die Gründe und Ursachen der Überfüllung in Notaufnahmen?

Eine der Hauptursachen für die Überlastung der Notaufnahmen ist die unzureichende Verfügbarkeit von Hausärzten. In vielen Regionen, insbesondere in ländlichen Gebieten, sind Hausarztpraxen überfüllt oder sogar dauerhaft geschlossen. Dies führt dazu, dass Patienten keine zeitnahe ambulante Versorgung erhalten und sich stattdessen an die Notaufnahmen wenden, auch wenn es sich nicht um echte Notfälle handelt.

Lange Wartezeiten auf Facharzttermine tragen ebenfalls zur Überlastung der Notaufnahmen bei. Patienten, die spezialisierte medizinische Untersuchungen oder Behandlungen benötigen, müssen oft Wochen oder sogar Monate auf einen Termin warten. In dringenden Fällen suchen viele dieser Patienten die Notaufnahme auf, um schneller Hilfe zu bekommen, was die Ressourcen der Notaufnahmen weiter belastet.

Viele Patienten nutzen die Notaufnahmen aus Bequemlichkeit, da diese rund um die Uhr geöffnet sind und keine Terminvereinbarung erfordern. Diese einfache Zugänglichkeit führt dazu, dass auch weniger dringende Fälle die Notaufnahme aufsuchen. Zudem gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, nach der Krankenhäuser alle Patienten behandeln müssen, die sich in der Notaufnahme vorstellen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass jeder Zugang zu medizinischer Hilfe hat, führt jedoch in Kombination mit den anderen Faktoren zu einer erheblichen Überlastung der Notaufnahmen.

Was sind die Folgen überfüllter Notaufnahmen?

Die Überfüllung von Notaufnahmen in Deutschland hat weitreichende negative Folgen für das Gesundheitssystem, das medizinische Personal und die Patienten.

Die ständige Überlastung führt zu erheblichem Arbeitsstress für das medizinische Personal. Ärzte / Ärztinnen  und Pflegekräfte müssen in einem extrem schnellen Tempo arbeiten, um die hohe Anzahl an Patienten zu versorgen, was zu Erschöpfung und einer schlechten Arbeitsatmosphäre führt. Aufgrund dieser belastenden Bedingungen verliert der Arbeitsbereich der Notfallmedizin an Attraktivität. Viele Fachkräfte entscheiden sich gegen eine Karriere in der Notaufnahme oder verlassen diesen Bereich nach kurzer Zeit, was zu hoher Fluktuation und Personalmangel führt. Dies verschärft die bestehenden Probleme und beeinträchtigt die Versorgung weiter.

Zusätzlich führen lange Wartezeiten und die Überfüllung zu Frustration und Aggression bei den Patienten. Diese reagieren oft mit verbaler oder körperlicher Gewalt gegenüber dem Personal, was das Arbeitsklima weiter belastet und Sicherheitsprobleme verursacht.

Wie kann das Problem gelöst werden?

Die Überfüllung der Notaufnahmen in Deutschland ist ein gravierendes Problem, das nicht nur zu langen Wartezeiten führt, sondern auch zu erhöhtem Stress für das Personal und einer Verschlechterung der Versorgungsqualität. Um dieses Problem zu lösen, sind mehrere Maßnahmen erforderlich. 

  • Eine entscheidende Maßnahme ist die Stärkung der ambulanten Versorgung. Durch erweiterte Öffnungszeiten und eine Erhöhung der Kapazitäten in Hausarztpraxen und Bereitschaftsdiensten können weniger Patienten mit nicht dringenden Beschwerden die Notaufnahmen aufsuchen. Diese Entlastung ist besonders wichtig, um die Notaufnahmen für echte Notfälle freizuhalten.
  • Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die effiziente Patientensteuerung. Die Optimierung von Triage-Systemen wie dem Manchester-Triage-System, das in einigen deutschen Notaufnahmen bereits erfolgreich eingesetzt wird, ermöglicht eine bessere Priorisierung der Patienten nach Dringlichkeit. Zudem können integrierte Notfallzentren (INZ) durch die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Krankenhausärzten zur Entlastung beitragen. Diese Zentren helfen, Patientenströme besser zu steuern und unnötige Einweisungen in die Notaufnahmen zu reduzieren.
  • Auch die Aufklärung der Bevölkerung über die richtige Nutzung von Notaufnahmen ist essenziell. Gesundheitskampagnen können die Gesundheitskompetenz erhöhen und dazu beitragen, dass Patienten nur bei echten Notfällen die Notaufnahme aufsuchen.
  • Schließlich ist eine Erhöhung der Kapazitäten in den Notaufnahmen notwendig. Der Ausbau der physischen Kapazitäten und die Einstellung von zusätzlichem Personal können kurzfristig die Überfüllung verringern. Langfristig sind Investitionen in die Infrastruktur und moderne Medizintechnik erforderlich, um den steigenden Bedarf zu decken.

Es gibt nicht “die” Lösung, sondern es ist ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren die wichtig sind. Die Maßnahmen erfordern eine koordinierte Anstrengung und enge Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitssystem, um die Notaufnahmen nachhaltig zu entlasten und die Versorgungsqualität zu verbessern.


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