Facharzt-Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein medizinischer Fachbereich, der sich mit der Diagnose und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen befasst. Die Facharzt-Weiterbildung dauert 60 Monate und eröffnet exzellente Berufschancen sowohl in spezialisierten Krankenhäusern und Kliniken als auch in der ambulanten Versorgung in niedergelassenen Praxen.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie befasst sich mit der Diagnose, Behandlung und Vorbeugung von psychischen, psychosomatischen, entwicklungsbedingten und neurologischen Erkrankungen oder Störungen bei Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Zielsetzung ist nicht nur die direkte Behandlung der Patienten, sondern auch die Prävention und Rehabilitation, um langfristige gesundheitliche und soziale Auswirkungen zu mindern.
Dieser Blogpost beleuchtet die Arbeitsschwerpunkte, die Weiterbildungsstruktur und -inhalte sowie den beruflichen Perspektiven in diesem Fachbereich.
Arbeitsscherpunkte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind stationäre und ambulante Versorgungsstufen eingebunden. Fast alle Kliniken bieten umfassende stationäre und ambulante Behandlungen an. Niedergelassene Fachärzte und Fachärztinnen arbeiten oft eng mit stationären Einrichtungen zusammen und sind auf ambulante Therapien, die Nachsorge dauerhafte Behandlungen spezialisiert. Die Kombination von einer professionellen stationären Versorgung und ambulanter Nachsorge ermöglicht eine flexible und bedarfsgerechte Behandlung für junge Patienten, wobei sowohl akute als auch langfristige psychische Erkrankungen adressiert werden.
In der Kinder- und Jugendpsychiatrie unter anderem folgende Störungen behandelt:
- ADHS: Konzentrationsprobleme, Hyperaktivität und Impulsivität.
- Ausscheidungsstörungen: Probleme wie Einnässen oder Einkoten.
- Autismus: Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation.
- Bipolare Störung: Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen.
- Depressionen: Anhaltende Niedergeschlagenheit und Interessenverlust.
- Dissoziative Störungen: Unterbrechungen in Bewusstsein, Identität und Erinnerung.
- Essstörungen: Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge-Eating-Störung.
- Fütterstörungen: Schwierigkeiten im Essverhalten von Kindern.
Kinder und Jugendliche erhalten auch spezifische Unterstützung und Behandlung nach traumatischen Erlebnissen. Neben sexuellen Übergriffen zählen dazu auch andere gravierende Lebensereignisse wie der Verlust eines Elternteils, schwere Unfälle oder Zeugenschaft von Gewalt. Traumafolgestörungen können sich in verschiedenen psychischen Symptomen äußern und erfordern eine individuelle, sensible Behandlungsweise.
Hoher Frauenanteil unter Fachärzten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Ende Dezember 2022 waren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland 2.579 Fachärzte und Fachärztinnen ärztlich tätig. Der Frauenanteil unter diesen Fachkräften ist mit 70% auffallend hoch. Bei den im Jahr 2022 neu vergebenen Facharztbezeichnungen liegt der Frauenanteil sogar bei annähernd 85%. Rund 52% der Fachärzte und Fachärztinnen sind im ambulanten Sektor berufstätig.
Struktur und Dauer der Facharztweiterbildung
Die formale Bezeichnung nach Abschluss der Facharzt-Weiterbildung ist Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.
Die Gesamtdauer der Weiterbildung beträgt 60 Monate. Davon sind 12 Monate in den Bereichen Kinder- und Jugendmedizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vorgesehen. Bis zu 6 Monate können dabei in der Neuropädiatrie absolviert werden. Zudem besteht die Möglichkeit, bis zu 30 Monate der Weiterbildungszeit im ambulanten Bereich zu verbringen.
Zur Facharztweiterbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sind vor allem spezialisierte Universitätskliniken, Krankenhäuser und Kliniken sowie große und etablierte Praxen mit einem Schwerpunkt in diesem Bereich zugelassen. Diese Einrichtungen bieten die notwendigen Strukturen und Expertise, um die umfassenden Weiterbildungsinhalte zu vermitteln und die erforderlichen praktischen Erfahrungen zu ermöglichen.
Weiterbildungsinhalte
Die Facharztweiterbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist eine umfassende und strukturierte Ausbildung, die sowohl theoretische als auch praktische Elemente beinhaltet. Sie zielt darauf ab, tiefgreifendes Wissen und Fertigkeiten in verschiedenen Bereichen zu vermitteln, darunter Psychopathologie, Diagnostik, Prävention und Therapie psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Weiterbildung umfasst auch spezialisierte Bereiche wie Neurologie und Psychotherapie, wobei besonderer Wert auf eine multidisziplinäre und praxisnahe Herangehensweise gelegt wird.
Nachfolgend die Weiterbildungsvorgaben der Bayerischen Landesärztekammer zur Facharztausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in
- allgemeiner und spezieller Psychopathologie einschließlich der biographischen Anamneseerhebung, Verhaltensbeobachtung und Explorationstechnik
- Abklärung und Gewichtung der Entstehungsbedingungen psychischer Erkrankungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter einschließlich der Aufstellung eines Behandlungsplans
- (entwicklungs-)neurologischen Untersuchungsmethoden
- psychodiagnostischen Testverfahren
- Früherkennung, Krankheitsverhütung, Rückfallverhütung und Verhütung unerwünschter Therapieeffekte
- der Krankheitslehre und Differenzialdiagnostik psychosomatischer, psychiatrischer und neurologischer Krankheitsbilder
- sozialpsychiatrischen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen
- wissenschaftlichen psychotherapeutischen Verfahren
- der Indikationsstellung und Technik der Übungsbehandlung, z. B. funktionelle Entwicklungstherapie, systematische sensomotorische Übungsbehandlung, insbesondere heilpädagogische, sprachtherapeutische, ergotherapeutische, bewegungstherapeutische und krankengymnastische Maßnahmen, sowie indirekte kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung durch Verhaltensmodifikationen von Bezugspersonen
- der Indikationsstellung und Methodik neuroradiologischer und elektrophysiologischer Verfahren einschließlich der Beurteilung und der Einordnung in das Krankheitsbild
- der Facharztkompetenz bezogenen Zusatz-Weiterbildung Suchtmedizinische Grundversorgung als integraler Bestandteil der Weiterbildung
Weiterbildung im speziellen Neurologie-Teil
- Krankheitslehre neurologischer Krankheitsbilder, Diagnostik und Therapie von Schmerzsyndromen, neurophysiologische und neuropathologische Grundlagen kinder- und jugendpsychiatrischer Erkrankungen
- Methodik und Technik der neurologischen Anamnese
- Methodik und Technik der neurologischen Untersuchung
- Indikationsstellung, Durchführung und Beurteilung neurophysiologischer und neuropsychologischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
- Indikationsstellung, Durchführung und Bewertung der Elektroenzephalographie sowie evozierte Potenziale
- Grundlagen der Somato- und Pharmakotherapie neurologischer Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters
Strukturierte Weiterbildung im allgemeinen Psychiatrie-Teil (Die strukturierten Weiterbildungsinhalte werden kontinuierlich an einer anerkannten Weiterbildungseinrichtung oder im Weiterbildungsverbund erworben.)
- Behandlung psychischer Krankheiten und Störungen mit der Definition von Behandlungszielen, der Indikationsstellung für verschiedene Behandlungsverfahren einschließlich Anwendungstechnik und Erfolgskontrolle sowie der Festlegung eines Behandlungsplans, dabei sind insbesondere somato-, sozio- und psychotherapeutische Verfahren unter Einbeziehung der Bezugspersonen zu berücksichtigen
- sozialpsychiatrische Behandlung und Rehabilitation unter Berücksichtigung extramuraler, komplementärer Versorgungsstrukturen, der Kooperation mit Jugendhilfe, Sozialhilfe und Schule
- Diagnostik und Therapie bei geistiger Behinderung
- 60 supervidierte und dokumentierte Erstuntersuchungen unter Berücksichtigung biologisch-somatischer, psychologischer, psychodynamischer und sozialpsychiatrischer Gesichtspunkte und unter Beachtung einer diagnostischen Klassifikation und der Einbeziehung symptomatischer Erscheinungsformen sowie familiärer, epidemiologischer, schichtenspezifischer und transkultureller Gesichtspunkte
- 10 Stunden Seminar zur standardisierten Diagnostik
- Methodik der psychologischen Testverfahren und der Beurteilung psychologischer und psychopathologischer Befunderhebung in der Entwicklungs-, Leistungs- und Persönlichkeitsdiagnostik (Durchführung von je 10 Testen)
- Methodik neuropsychologischer Verfahren einschließlich Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen
- 40 Stunden Fallseminar über Kontraindikation und Indikation medikamentöser Behandlungen und anderer somatischer Therapieverfahren in Wechselwirkung mit der Psycho- und Soziotherapie einschließlich praktischer Anwendungen
- Gutachten zu Fragestellungen aus den Bereichen der Straf-, Zivil-, Sozial- und freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere nach dem Jugendhilferecht, Sozialhilferecht, Familienrecht und Strafrecht
- Durchführung der Befundung und Dokumentation von 20 abgeschlossenen Therapien unter kontinuierlicher Supervision einschließlich des störungsspezifischen, psychotherapeutischen Anteils der Behandlung und sozialpsychiatrischer Behandlungsformen bei komplexen psychischen Störungsbildern
- Durchführung von Befundung und Dokumentation von 20 abgeschlossenen Therapien in der Gruppe unter kontinuierlicher Supervision und unter Berücksichtigung störungsspezifischer Anteile bei komplexen psychischen Störungsbildern
Strukturierte Weiterbildung im speziellen Psychotherapie-Teil (Die Psychotherapie-Weiterbildungsinhalte werden kontinuierlich an einer anerkannten Weiterbildungseinrichtung oder im Weiterbildungsverbund erworben.)
- 100 Stunden Seminarweiterbildung, Kurse, Praktika und Fallseminare über theoretische Grundlagen der Psychotherapie, insbesondere allgemeine spezielle Neurosenlehre, Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie sowie der Theorie und Methodik der Verhaltenstherapie, Theorie und Therapie in der Psychosomatik
- Kenntnisse in Therapien unter Einschluss der Bezugspersonen, davon 5 Doppelstunden Familientherapie, 10 Behandlungsstunden Krisenintervention unter Supervision und 8 Behandlungsstunden supportive Psychotherapie unter Supervision
- 16 Doppelstunden autogenes Training oder progressive Muskelentspannung oder Hypnose
- 10 Stunden Seminar und 6 Behandlungen unter Supervision in Kriseninterventionen, supportive Verfahren und Beratung
- 10 Stunden Seminar in psychiatrisch-psychotherapeutischer Konsil- und Liaisonarbeit unter Supervision
- 240 Therapiestunden mit Supervision nach jeder vierten Stunde entweder in Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bzw. in einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren im gesamten Bereich psychischer Erkrankungen einschließlich Suchterkrankungen, bei denen die Psychotherapie im Vordergrund des Behandlungsspektrums steht
- 35 Doppelstunden Balintgruppenarbeit
Selbsterfahrung
- 150 Stunden Einzel- oder Gruppenselbsterfahrung entweder in Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bzw. in einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren. Die Selbsterfahrung muss im gleichen Verfahren erfolgen, in welchem auch die 240 Psychotherapiestunden geleistet werden.
Gehalt während der Facharzt-Weiterbildung
Die Facharztweiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie wird überwiegend in Universitätskliniken und Spezialklinken durchgeführt. An Universitäten gilt ein spezieller Tarifvertrag für Universitätskliniken.
Aktuell gültig für Universitätskliniken sind folgende Gehälter (gerundet):
- im 1. Weiterbildungsjahr: 5.100 EUR
- im 2. Weiterbildungsjahr: 5.400 EUR
- im 3. Weiterbildungsjahr: 5.600 EUR
- im 4. Weiterbildungsjahr: 5.960 EUR
- im 5. Weiterbildungsjahr: 6.390 EUR
- im 6. Weiterbildungsjahr: 6.500 EUR
Berufliche Perspektiven und Spezialisierungsmöglichkeiten
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie bietet viele berufliche Möglichkeiten. Dazu gehören Tätigkeiten und Positionen in Krankenhäusern, Kliniken aber auch eigenen Praxen. Es gibt viele offene Stellen vor allem in spezialisierten Krankenhäusern und Schwerpunkt-Praxen.
Da es sich um ein breites Leistungsspektrum handelt, ist die Spezialisierung innerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein wichtiger Faktor für den beruflichen Erfolg.
Die wichtigsten Spezialbereiche sind:
Entwicklungsstörungen: Kinder- und Jugendpsychiater können sich auf Entwicklungsstörungen spezialisieren, zu denen Erkrankungen wie Autismus-Spektrum-Störungen gehören. Diese Spezialisierung beinhaltet das Verständnis und die Behandlung von Störungen, die die Entwicklung und das Verhalten von Kindern beeinflussen.
Suchtmedizin: Die Spezialisierung in der Suchtmedizin ermöglicht es Ihnen, mit jungen Menschen zu arbeiten, die mit Substanzmissbrauch und Suchtproblemen zu kämpfen haben. Sie können ihnen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen und Unterstützung für die Genesung bieten.
Forensische Psychiatrie: Diese Spezialisierung beinhaltet die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Rechtssystem. Kinder- und Jugendforensische Psychiater können damit beauftragt sein, junge Menschen im rechtlichen Kontext zu bewerten, beispielsweise um deren Verhandlungsfähigkeit oder ihren geistigen Zustand während rechtlicher Verfahren festzustellen.
Konsiliar- und Liaison-Psychiatrie: Kinder- und Jugendpsychiater können sich auf die Bereitstellung psychiatrischer Konsultationen für Patienten in allgemeinmedizinischen Einrichtungen spezialisieren. Diese Rolle umfasst die Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachkräften, um den psychischen Gesundheitsbedarf von Patienten mit medizinischen Erkrankungen zu adressieren.
Forschung und Lehre: Einige Fachleute entscheiden sich für die Forschung und Lehre. Dies beinhaltet die Durchführung von Forschung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Beitrag zur Weiterentwicklung des Verständnisses und der Behandlung von psychischen Problemen bei jungen Menschen.
Gemeindepsychiatrie: Die Arbeit in der Gemeindepsychiatrie ermöglicht es Ihnen, psychische Gesundheitsdienste für Kinder und Jugendliche in ihren Gemeinden bereitzustellen. Dieser Ansatz betont die Zugänglichkeit und die Erreichbarkeit für unterversorgte Bevölkerungsgruppen.
Kleinkindpsychiatrie: Die Kleinkindpsychiatrie ist eine Unterkategorie, die sich auf die psychische Gesundheit von Säuglingen und sehr jungen Kindern konzentriert. Diese Spezialisierung beinhaltet Frühintervention und Unterstützung für Säuglinge mit emotionalen und entwicklungsbedingten Herausforderungen.
Neurologische Entwicklungsstörungen: Kinder- und Jugendpsychiater können sich auf neurologische Entwicklungsstörungen spezialisieren, darunter Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Lernstörungen. Die Spezialisierung umfasst eine umfassende Diagnose und maßgeschneiderte Behandlungspläne.
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