Ärztinnen in der Medizin: Erst unerwünscht, heute unverzichtbar
Ärztinnen in der Medizin: Erst verboten, dann geduldet, heute unverzichtbar, morgen prägend, übermorgen entscheidend. Die Medizin in Deutschland hat sich in den letzten 100 Jahren erheblich verändert. Was einst fast ausschließlich ein Männerberuf war, hat sich zu einem Berufsfeld entwickelt, in dem Frauen eine gewichtige Rolle spielen. Trotz dieses Fortschritts sind Frauen in Leitungspositionen immer noch nicht ausreichend repräsentiert.
Frauen wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts offiziell zum Medizinstudium in Deutschland zugelassen. Eine der Pionierinnen auf diesem Gebiet war Rachel Hirsch, die 1903 ihr Medizinstudium abschloss und direkt im Anschluss promovierte. Sie wurde als erste Frau mit dem Titel "Professor" ausgezeichnet. Interessanterweise, und das spiegelt den Zeitgeist gut wider, war der Titel nicht “Professorin”.
In diesem Blogpost beleuchten wir die Entwicklung der Rolle von ÄrztInnen im Laufe der letzten 120 Jahre, präsentieren aktuelle Zahlen und Fakten und diskutieren die Fortschritte und Hürden auf dem Weg zur Gleichstellung in der Medizin.
Auch wenn heute die Gleichstellung von Frauen und Männern im Medizinstudium und in der ärztlichen Praxis gesetzlich geregelt ist, hallen die Auswirkungen der Vergangenheit nach. Frauen sind, trotz eines Anteils von rund 50%, in Leitungspositionen immer noch unterrepräsentiert.
Ärztestatistik: Frauen gleichauf
In Deutschland sind insgesamt 421.300 Ärztinnen und Ärzte berufstätig. Unter ihnen sind 165.700 in der ambulanten Versorgung tätig (39,3%), 217.400 in der stationären Versorgung (51,6%), 11.700 in Behörden und öffentlichen Institutionen (2,8%) und 26.600 in anderen, nicht-medizinischen Bereichen (6,3%). Der Frauenanteil in der stationären und medizinischen Versorgung beträgt annähernd 50%.
Bei den Facharztanerkennungen zeigt sich eine deutliche Entwicklung: Von insgesamt 14.099 neuen Anerkennungen gingen 7.700 an Frauen, was einem Anteil von 54,6 % entspricht. Die Daten der Studierenden im Fach Humanmedizin bestätigen diesen Trend. Im Wintersemester 2021/2022 waren von insgesamt 105.275 Medizinstudierenden 67.149 Frauen, was einem Anteil von etwa 63,8 % entspricht.
Die Daten zeigen deutlich: Frauen haben in der Medizin aufgeholt und sind bei den Facharztanerkennungen bereits in der Mehrheit.
Ärztinnen in Leitungspositionen unterrepräsentiert
Trotz des bedeutenden Fortschritts und der wachsenden Präsenz von Frauen im ärztlichen Dienst, bleibt die Rolle von Frauen in leitenden Positionen im Gesundheitswesen ein hartnäckiges Problem. Obwohl Frauen heute rund 50% der Fachkräfte im ärztlichen Dienst stellen, spiegelt sich dieser Anteil nicht in der Besetzung von Führungspositionen wider. Die Gründe für diese Diskrepanz sind vielfältig.
Einer der Hauptfaktoren ist die Schwierigkeit, Familie und Karriere zu vereinbaren, da die Anforderungen an Führungskräfte oft mit langen Arbeitszeiten und erhöhter Verantwortung einhergehen.
Darüber hinaus könnten auch geschlechtsspezifische Unterschiede in den Karriereambitionen und -motivationen eine Rolle spielen. Männer sind möglicherweise stärker motiviert, Führungspositionen anzustreben.
Schließlich sind auch die Strukturen und Prozesse, die zur Auswahl von Führungskräften führen, nicht in jedem Fall neutral. Auswahlgremien und Entscheidungspanel für Führungskräfte sind immer noch männerdominiert und könnten daher bewusst oder unbewusst Männer in Führungspositionen begünstigen.
Gezielte Förderung von Frauen in Leitungsfunktionen
Angesichts des wachsenden Ärztemangels ist die Förderung von Frauen in Führungspositionen unabdingbar. Die Einbindung von Frauen in leitenden Positionen ist eine Chance, den Gesundheitssektor vielfältiger und integrativer zu gestalten. Frauen können mit ihren unterschiedlichen Perspektiven zur Verbesserung der Patientenversorgung und der Arbeitskultur beitragen.
Institutionen im Gesundheitssektor sollten Teilzeitmodelle für Führungspositionen ermöglichen. Flexible Arbeitszeiten und geteilte Verantwortung können dabei helfen, die Arbeitsbelastung besser zu verteilen und an individuelle Bedürfnisse und Lebenssituationen anzupassen.
Durch Mentoring-Programme, flexible Arbeitsmodelle und gezielte Karriereförderung können Institutionen Frauen unterstützen, Führungspositionen zu übernehmen.
Frauenanteil nach Fachgebieten
Die Ärztestatistik der Bundesärztekammer zeigt die Geschlechterverteilung in den verschiedenen medizinischen Fachbereichen in Deutschland. In der Statistik sind alle berufstätigen Ärzte und Ärztinnen erfasst, insgesamt 421.300. Dazu gehören nicht nur Ärzte und Ärztinnen in der stationären und ambulanten Versorgung, sondern auch 38.300, die in Behörden und Institutionen arbeiten.
Die nachfolgenden Tabellen präsentieren die Verteilung von Ärzten und Ärztinnen in verschiedenen Fachbereichen, aufgeteilt nach Geschlecht und Fachrichtung.
Fachbereiche mit hohem Frauenanteil:
- Frauenheilkunde: 13.933 Ärztinnen, 71,9%
- Kinder- und Jugendmedizin: 10.375 Ärztinnen, 63,1%
- Dermatologie: 3.817 Ärztinnen, 59,8%
- Ärzte ohne Facharztbezeichnung: 72.571 Ärztinnen, 58,3%
- Allgemeinmedizin: 23.293 Ärztinnen, 52,2%
- Psychiatrie und Psychotherapie: 6.791 Ärztinnen, 53,7%
Fachbereiche mit durchschnittlichem Frauenanteil:
- Anästhesiologie: 12.009 Ärztinnen, 44,5%
- Innere Medizin: 24.849 Ärztinnen, 41,0%
- Neurologie: 4.578 Ärztinnen, 49,6%
- Augenheilkunde: 4.027 Ärztinnen, 49,9%
Fachbereiche mit niedrigem Frauenanteil:
- Chirurgie: 9.523 Ärztinnen, 23,4%
- Urologie: 1.424 Ärztinnen, 21,7%
- Radiologie: 3.604 Ärztinnen, 37,2%
- HNO: 2.591 Ärztinnen, 39,5%
Es ist bemerkenswert, dass Fachbereiche mit einem hohen Frauenanteil tendenziell Bereiche sind, die einen hohen Anteil an konservativer Medizin aufweisen. Frauenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin sowie Dermatologie gehören beispielsweise zu diesen Fachbereichen.
Im Gegensatz dazu haben chirurgisch geprägte Fachbereiche, dies gilt für alle Subdisziplinen der Chirurgie und auch die Urologie, einen niedrigeren Frauenanteil. Die chirurgischen Fächer sind häufig auch in der Notfallmedizin stark präsent und erfordern längere und unregelmäßigere Arbeitszeiten, physisch anstrengendere Tätigkeiten und die Bewältigung von Notfallsituationen, was möglicherweise eine Hürde für Frauen darstellen kann.
Von einem Männerberuf zu einer Frauendomäne?
Die Medizin in Deutschland hat sich in den letzten 100 Jahren erheblich verändert. Was einst fast ausschließlich ein Männerberuf war, hat sich in ein ausgewogenes Berufsfeld verwandelt. Die ersten Frauen, die das Recht erhielten, Medizin zu studieren, kämpften hart gegen Vorurteile und Einschränkungen. Noch vor 40 Jahren waren Frauen in der Medizin deutlich unterrepräsentiert. Aber in den letzten Jahrzehnten haben Frauen in der Medizin enorme Fortschritte gemacht, sowohl in Bezug auf ihre Präsenz als auch auf ihre Rolle.
Die aktuelle Situation zeigt, dass Frauen mittlerweile in vielen Fachbereichen der Medizin in der Mehrheit sind oder kontinuierlich aufholen, insbesondere in Fächern, in denen sie bisher unterrepräsentiert waren. Und das Wachstum geht weiter. Bei den Studienanfängern im Fach Humanmedizin sind Frauen bereits in der Überzahl, und es ist zu erwarten, dass sie in Zukunft auch in der Gesamtzahl der beruflich tätigen Ärzte die Mehrheit stellen werden.
Darüber hinaus werden Frauen aufgrund des steigenden Ärztemangels und der Notwendigkeit, das gesamte Potenzial der medizinischen Fachkräfte auszuschöpfen, immer mehr in Leitungspositionen aufsteigen. Der Wandel, der in der Medizin stattfindet, zeigt, dass Frauen nicht nur in der Mehrheit, sondern auch eine größere Rolle in der Führung übernehmen werden.
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