Pflege braucht mehr Anerkennung
Der Pflegeberuf verdient mehr Anerkennung. Pflegekräfte leisten eine wichtige Arbeit für kranke und pflegebedürftige Menschen. Eine angemessene Bezahlung, gesellschaftliche Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen sind erforderlich, um den Beruf attraktiver zu machen und den Fachkräftemangel zu verringern.
Hohe Arbeitsbelastung - aber auch hohe Arbeitszufriedenheit
Gesundheits- und Krankheitspflegerinnen und -pfleger werden dringend in verschiedenen Bereichen wie Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten, Alten- und Pflegeheimen gesucht. Ihre tägliche Arbeit ist beeindruckend: Sie kümmern sich um die Hygiene der Patienten, bereiten Mahlzeiten vor, verabreichen Medikamente, unterstützen bei der Mobilisierung und Motivation, dokumentieren den Pflegeprozess und kommunizieren mit Angehörigen, Ärzten und anderen Therapeuten - und noch vieles mehr.
Der Pflegeberuf ist mit enormen Belastungen verbunden, wie Sylvia Butenschön aus Berlin aus eigener Erfahrung weiß. Als examinierte Altenpflegerin hat sie viele Jahre in verschiedenen Pflegeeinrichtungen gearbeitet, war als Pflegedienst- und Heimleiterin tätig und unterrichtet heute angehende Pflegekräfte.
Der Schichtdienst stellt allein schon eine große Herausforderung dar. Unter dem Druck der Zeit müssen sie immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Diese Belastungen können viele nicht langfristig aushalten. Es erfordert eine gewisse Begeisterung für diesen Beruf. Gerade junge Menschen sollten sich bewusst sein, worauf sie sich einlassen. Während ihre Freunde abends oder am Wochenende feiern, sind sie oft beim Patienten im Einsatz.
Über 300.000 fehlende Kräfte bis 2035
Bis zum Jahr 2035 könnte es in Deutschland laut einer Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln einen Mangel von rund 307.000 Pflegekräften in der stationären Versorgung geben. Die Gesamtversorgungslücke im Pflegebereich könnte sogar auf knapp 500.000 Fachkräfte ansteigen.
Diese Prognose basiert auf den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland.
Die alle zwei Jahre aktualisierte Pflegestatistik zeigt, dass es im Jahr 2017 deutschlandweit rund 3,4 Millionen Pflegebedürftige gab, was einem Anstieg von 70 Prozent im Vergleich zum Beginn des Jahrtausends entspricht.
Viele verlassen den Pflegeberuf vorzeitig
Pflegekräfte verlassen den Beruf vorzeitig aus Gründen wie hoher Belastung, mangelnder Wertschätzung, niedriger Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und fehlenden Karriereperspektiven.
Auch die Familienplanung spielt eine große Rolle.
Um den vorzeitigen Berufsausstieg zu verringern, sind eine bessere Arbeitsplatzkultur, angemessene Bezahlung, Anerkennung, verbesserte Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten von Bedeutung.
Der Fachkräftemangel in der Pflege könnte durch bessere Arbeitsbedingungen und Maßnahmen seitens der Arbeitgeber und politisch Verantwortlichen abgemildert werden.
Laut einer aktuellen Studie des Instituts Pysma Health & Care im Auftrag von Hartmann würden fast die Hälfte der ausgebildeten Pflegekräfte, die den Beruf verlassen haben, zurückkehren, wenn die Bedingungen stimmen würden.
Dieses Potenzial könnte zusätzlich 120.000 bis 200.000 examinierte Pflegekräfte umfassen. Die Gründe für den Berufswechsel liegen vor allem in der emotionalen und körperlichen Belastung sowie dem Gefühl, den Patienten nicht mehr gerecht werden zu können.
Forderungen für eine Rückkehr in den Pflegeberuf beinhalten verbesserte Strukturen, Arbeitsbedingungen, mehr Personal, höhere Bezahlung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Mitbestimmung, weniger Bürokratie und flexible Arbeitszeiten. Ver.di fordert einheitliche und verbindliche Personalvorgaben in der Pflege sowie flächendeckende Tarifverträge in der Altenpflege, um den Beruf attraktiver zu machen und die Rückkehr von ausgebildeten Pflegekräften zu ermöglichen.
Lob, mehr Flexibilität und Supervision
Es muss aber noch mehr passieren. „Den Arbeitgebern kommt hier eine zentrale Schlüsselrolle zu, um den Beruf attraktiver zu machen“, betont Sylvia Butenschön. „Auch Pflegekräfte haben ein Privatleben, in dem es manchmal knirscht – durch Probleme mit Kindern oder dem Partner, Krankheiten oder persönliche Krisen.
Pflegekräfte sollen immer funktionieren, egal was in ihrem eigenen Leben los ist. Mancher wünscht sich einfach, dass neben einer adäquaten Bezahlung mehr Flexibilität möglich ist. Oft würde auch schon ein Lob der Vorgesetzten Mut machen und zeigen, dass der Einsatz gesehen und geschätzt wird.
Viele Arbeitgeber könnten Druck aus den Teams nehmen, indem sie Supervision anbieten. Dadurch könnten Probleme und Belastungen im Team einmal ausgesprochen und möglicherweise Lösungen für Konflikte gefunden werden.“
Gesundheitspflege – gemeinsam aktiv sein und Spaß haben
Einer der großen ambulanten Pflegedienste in Berlin ist Mediavita GmbH. Welche Ansätze werden hier verfolgt, um ein positives Betriebsklima zu fördern? „Wir sprechen bei uns von Gesundheitspflege – ein Begriff, der unsere Ausrichtung sowohl bei der Unterstützung unserer Patienten als auch dem Umgang mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschreibt“, erklärt Andreas Freikowski, Geschäftsführer des Unternehmens.
„Wir möchten, dass es unseren Beschäftigten gut geht und dass sie sich bei uns wohl fühlen. Wer gesund ist, ist zufriedener. Deshalb setzen wir neben flexiblen Arbeitszeitmodellen verstärkt auf Angebote im Bereich Sport und Bewegung. Bei uns gibt es zum Beispiel einen Lauftreff und eine Yoga-Gruppe. Regelmäßig gemeinsam aktiv sein und Spaß haben, das wollen wir auch in Zukunft mit weiteren Initiativen verstärkt fördern. Außerdem ist es bei uns selbstverständlich, sich auch einmal Zeit zu nehmen, wenn Mitarbeiter Sorgen haben und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Selbst bei einem finanziellen Engpass können wir Mitarbeitern im Einzelfall weiterhelfen.“
Der personelle Engpass in der Pflege – so lässt sich unschwer prognostizieren – wird wohl insgesamt dazu führen, dass sich Arbeitgeber mehr Gedanken darüber machen müssen, wie sie ihre Mitarbeiter ans Unternehmen binden und Mittel und Wege finden, ein positives „Wir-Gefühl“ zu erzeugen. Möglichkeiten dazu gibt es genügend.
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